7 Wochen ohne Instagram

Raus aus dem Dopamin-Hamsterrad, raus aus der Zentrifugalkraft, die Dich in die Ecke drückt. 7 Wochen Instagram-Detox.
Bloggerin und Content Creatorin Veronika Fischer erzählt im Erfahrungsbericht vom zweimonatigen Digital Detox von Instagram.

„Ich habe Instagram im letzten Jahr immer wieder und im letzten Vierteljahr nur mehr mit den Gedanken „ich will das nicht mehr“, gefolgt von „das macht mich so, so traurig“ geöffnet.
Ich will das nicht mehr.
Das macht mich so traurig.
Zwei ewige Echos in mir in Bezug auf Instagram.“

aus dem Beitrag 4 Jahre VlikeVeronika

Gleich zu Beginn muss ich gestehen, dass ich mich wieder dazu hinreißen habe lassen, eine Word-Seite lang aufzuzählen, welche Dinge es genau sind, die auf Instagram all meine Buttons pushen. Ich war gnädig mit uns allen und habe den Teil gestrichen. Vor allem auch weil ich glaube, dass es für das, was ich heute erzählen will, völlig egal ist. Heute soll es darum gehen, was sich in den letzten sieben Wochen ohne Posting in meinem Instagram-Feed getan hat.

7 Wochen Digital Detox (in einer Light-Version) | Erfahrungsbericht

Es sind sieben Wochen vergangen, seit ich das letzte Mal etwas im Instagram-Feed gepostet habe. In einer virtuellen Blase, in der es darum geht, pausenlos online zu sein und alles mitzuteilen, ist das eine unfassbar lange Zeit, durch die du dich bis in die Nicht-Existenz geschwiegen hast.

Den Plan, mir eine Auszeit zu nehmen, hatte ich recht vage schon im Spätherbst gefasst: „Weihnachten machst du noch, dann schauen wir mal“, habe ich mich durch die DIY-Hoch-Zeit des Jahres bis über die Feiertage motiviert. Das Reel am 31.12. zu posten habe ich mit Vorfreude herbeigesehnt. Es war schön, auf das vergangene Jahr in der Insta-Bubble zurückzuschauen. Ich habe dafür durch meine Stories geschaut und einige im Fast-forward-Modus zusammengeschnitten. Es war schön, es war lustig, ich habe bei einigen genickt und geschmunzelt, wenn ich dachte: „Lustig, dass ich das schon im Frühjahr erzählt habe“ oder „witzig, dass das erst im letzten Jahr war, das kommt mir wie eine Ewigkeit vor.“
Ich schließe das Jahr gerne mit einem Schwarz-Weiß-Foto von mir ab. In all der Buntheit, die mein Feed bietet, erscheint es mir so treffend, so passend, so quirky, so me.
Als es online ging, war erleichtert und komplett leer zugleich.

 In einer virtuellen Blase, in der es darum geht, pausenlos online zu sein und alles mitzuteilen, ist das eine unfassbar lange Zeit, durch die du dich bis in die Nicht-Existenz geschwiegen hast.

1.0 – echt ohne Beweise

Am Silvesternachmittag war ich mit meiner Lady schifahren. Wir sind dem letzten Sonnenuntergang des Jahres entgegengerauscht, hatten zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie wieder Schi angeschnallt. Es hat sich so frei und wunderbar angefühlt. Der Schnee, die Berge, der Ausblick, das Jahr hinter uns, der Streit des Vormittags vergessen, die Gedanken, die zu unbeschwert sind, um sich an die Gesetze der Schwerkraft zu halten, nein, sie fliegen, sie tanzen, du kannst sie nicht greifen, sie sind weg und du vermisst sie keinmal.
Eine Minute vor Liftschluss sind wir nochmal ganz hinauf auf den Berg gegondelt. Oben habe ich die magische Stimmung mit der Handykamera eingefangen. „Eigentlich will ich das teilen“, hat die eine Stimme in mir gesagt und die andere hat mich angefleht stark zu sein und das Versprechen, das ich mir selbst über die letzten Wochen – besonders aber am selben Vormittag – gegeben hatte, das alles einfach mal sein zu lassen, zu halten. Statt den Sonnenuntergang in die Anonymität der Welt zu entlassen, habe ich ihn ganz fest in mein Herz eingeschlossen.

Ich habe das Mitternachtsfeuerwerk und das Lagerfeuer nicht gefilmt. Meine Fotos der verschneiten Landschaft nicht geteilt. Es hat tatsächlich Widerstand erfordert.

Warum teilen wir?
Insta or it didn’t happen!

Wer auf Instagram aktiv ist, wird so darauf konditioniert, bits and pieces zu teilen. Den Alltag ein Stück weit in verwertbarem Content zu denken, eine fortlaufende Geschichte zu erzählen. So will es die App, so verlangt es der Algorithmus, so kennt es der/die auf Influencer:innen-Account-Maßstäbe trainierte Nutzer:in. Anfangs war es schwerer, den Schritt zurück zu machen, als im Dopamin-Hamsterrad zu bleiben.

Die Besuche am Wiener Eistraum mit der fast kitschig-schönen Kulisse der beleuchteten Rathauspark-Bäume. Ich hab sie für mich behalten. Den ersten, den zweiten, den dritten.

Die Tagesschiausflüge. Ich hab sie für mich behalten. Den ersten, den zweiten, den dritten.

Das große 40er-Wochenende meines partners in crime. Ich hab es für mich behalten. Das fancy Steak-Dinner, den Thermentag, den Brunch-Tag.

Die Amaryllis, die von den ersten Jännertagen bis Anfang Februar in die Höhe geschossen ist und jetzt in voller Blüte steht – vor dem Bild, auf dem in Kartonbuchstaben aus alten Schachteln der Spruch „Freu dich nicht zu spät“ steht. Ich hab sie für mich behalten.

Die Making ofs der DIY-Projekte – die Kuchen, die Kekse, die Geschenkverpackungen, die Einkaufstouren, die Unboxings, die entstandene Unordnung und das Aufräumen – Dinge, die man als Creator:in zu teilen geneigt ist. Ich hab sie für mich behalten.

Anfangs war es schwerer, den Schritt zurück zu machen, als im Dopamin-Hamsterrad zu bleiben.

I ate the frog … and I liked it

Und dann waren da noch so viele Dinge, die nicht in Bilder festzuhalten sind. Ich habe mehr Sport gemacht. Ich habe Termine ausgemacht, die schon lange überfällig waren. Ich war geduldiger mit den Kindern. Ich war fokussierter. Ich war zufriedener. Ich habe wieder mehr Podcasts gehört und mehr gelesen. Nicht weil ich plötzlich mehr Zeit hatte, sondern weil ich die gedankliche Kapazität hatte, anderes aufzunehmen.

Die letzten sieben Wochen habe ich mir Zeit genommen, mich zu beobachten. Ich habe das zwar auch permanent gemacht, als ich aktiv war, aber die Art und Weise, wie man sich selbst prüft, ist eine andere, wenn man für mindestens (!) einen Monat in den Digital Detox geht und das Ende offen lässt. Wenn du weißt, wann du zurückgehst und dass du es fix tust, wirst du dich permanent vor dir rechtfertigen, dass „es eh okay ist, wenn man dies und das macht“. Niemand scheitert gern. Niemand macht gern Dinge, von denen man weiß, dass sie schlecht für einen selbst sind.

Aber diesmal wollte ich es wirklich wissen: Was tut sich in mir, wenn die Zentrifugalkraft des Instagram-Karussells nicht mehr auf mich wirkt?

Ich muss sagen, ich war ziemlich fest davon überzeugt, dass mit dem Abstand auch die Freude am Mitmischen wiederkommen würde. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. „Nimm dir … so … einen Monat“, dachte ich, aber mittlerweile sind es fast zwei Monate Digital Detox (v. a. Instagram-Detox).

Es dauert eine Weile, bis man aufhört, darüber zu trauern, dass man den guten Content nicht nutzt, aber wenn man erstmal durch die erste Instagram-Entzugsphase – oder generell die ersten Tage des Social Media Detox – durch ist und die Dopaminausschüttung wieder stärker durch andere Dinge kommt, wandert die Hemmschwelle, Dinge überhaupt zu teilen, wieder hoch. Auf ein Level, das auch meinem echten Leben mehr entspricht.

Was tut sich in mir, wenn die Zentrifugalkraft des Instagram-Karussells nicht mehr auf mich wirkt?

Wo tut’s weh? Spür mal hin.

Ich habe in diesen „Instagram-Entzugswochen“ viel genauer hingeschaut, was andere teilen. Denn – das habe ich bis hierher noch nicht verraten – ich war ja nicht völlig weg. Ich habe nichts aktiv in meinem Feed gepostet (zweimal habe ich eine Story von jemandem geteilt, der/die mich getaggt hatte und auf die beiden neuen Beiträge 4 Jahre VlikeVeronika und Tierklinik & Kinderklinik | Spielvorlagen hingewiesen). Natürlich war ich insgesamt auch weniger online, denn wer nicht aktiv teilt, muss auch keine Kommentare oder Messages betreuen. Aber ich habe hingeschaut und hingespürt, wie es mir mit dem Content anderer geht. „Würde ich das posten?“, „Würde ich diesen Moment teilen wollen?“, „Was ist der Mehrwert dieses Postings für mich als Userin?“, „Was könnte die Motivation sein, diesen Inhalt, dieses Bild … zu teilen?“

Es gab Tage in dieser Digital-Detox-Erfahrung, an denen ich „Ja, ja, muss dir auch ein bissl wurscht sein und just do it“ auf diese Fragen geantwortet habe. Es gab Tage, an denen ich innerhalb weniger Posts auf etwas gestoßen bin, das das Echo wieder in mir auslöst: „Ich will das nicht (mehr) … das macht mich so traurig.“

Ich habe eine unpopuläre Meinung zu dem Thema

Wenn Du bis hierher gelesen hast, bist Du Dir vermutlich ziemlich sicher, dass ich nicht mehr online gehe. Oder nicht mehr online gehen sollte. Oder Du denkst, dass diese Fakeness, dieser Schein, der Algorithmus-Rollercoaster und so weiter einfach dazugehören, ich mein dickes Fell rausholen und einfach ein bisserl drauf pfeifen sollte, was andere tun oder nicht tun (mich regen ungekennzeichnete Werbung oder Gewinnspiele, die nicht Richtlinien-konform/nicht der Werbeethik entsprechend durchgeführt werden, massiv auf).

Meine unpopular opinion zum Thema Instagram ist: „Ich weiß es nicht.“

Ich weiß es nicht. Meine unpopular opinion zum Thema Instagram ist: „Ich weiß es nicht.“ Ich sehe nicht so klar, dass es nur einen Weg nach rechts oder links gibt. Es ist komplizierter als eine Ja-Nein-Entscheidung.
Ich sehe, dass man auf der Plattform Leute erreicht, die man sonst nicht erreicht. Ich nehme zur Kenntnis, dass Firmen gerne mit Content Creator:innen zusammenarbeiten, die Website und Social-Media-Kanäle (am besten YouTube, Facebook, Instagram, TikTok und Pinterest) betreiben. Ich entdecke spannende Geschichten und kreative Ideen auf Instagram und last but not least bin ich auch für Kund:innen auf der Plattform aktiv. Und was man hier auch wirklich sagen muss: Wenn es nicht um mich, meinen Content, meine Person geht, geht mir die App auch nicht unter die Haut. Dann ist es ein Strategiespiel, ein kleiner Teil eines großen Konzeptes und es dominiert nicht den Arbeitstag. Es ist einfach eine Aufgabe auf einer langen To-do-Liste.
Das alles wissend kann ich einfach nicht ausschließen, dass mein Instagram-Detox vielleicht schon bald zu Ende ist. Vielleicht nachdem ich den Beitrag veröffentlicht habe. Vielleicht in einer Woche. Vielleicht in einem Monat.

Du bist der beste Beweis

Dass Du bis ans Ende gelesen hast, beweist doch einmal mehr, dass es egal ist, wie viele Menschen man erreicht. Es ist wichtig, genau die zu erreichen, denen das, was Du tust, schreibst, sagst, zeigst so viel gibt, dass sie Leser:innen, Unterstützer:innen, Follower:innen, eine Community werden. Deshalb hoffe ich einfach, dass – egal was mit diesem einen kleinen Social-Media-Puzzleteil passiert – Menschen wissen, dass es hier, direkt auf www.vlikeveronika.com immer etwas zum Mitnehmen gibt, das ein gutes Gefühl macht.

Die DIY-Bloggerin, SEO-Texterin und Digital Content Creatorin Veronika Fischer aus Wien sagt: "Bis bald."
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2 Antworten

  1. Liebe Veronika!

    Ich habe das „Aufblitzen“ deiner Beiträge ehrlich gesagt schon vermisst.
    Es sind ja nicht immer alle Beiträge für mich als Mann interessant 😅
    Aber du und deine Einstellung zu vielen Dingen beeindrucken mich. Beeinflussen mich gewollt dann auch.
    Du bist für mich ein Korrektiv. Eine Mahnerin ohne Verurteilung.
    Ein Hafen.
    Und das in einer Zeit, – die scheinbar völlig losgelöst von „all der uns bekannten Schwerkraft der Dinge“ – die Welt aus ihren Angeln hebt.
    In beinahe jeder Form und Beziehung.

    Du bist in einer virtuellen Welt „analog geblieben“ – greifbar, menschlich, berührend, authentisch.

    Ich muss gestehen dass ich mir mit diesen Entwicklungen seit einiger Zeit wirklich schwer tue.
    Dein Zugang ist für mich nicht immer die eine Lösung, aber eine Hilfe und Stütze allemal.

    So kann ich die in deinem, – auch im Stil unnachahmlichen – Beitrag geäußerten Gedanken nachvollziehen.

    Bist für mich eine besondere Frau.

    Wir werden sehen wie es weitergeht, wie du weitermachst.

    Wirklich herzliche und liebe Grüße,

    Bernhard

    1. Oh wow, danke für Deine Worte Bernhard!
      Ist das nicht wunderbar? Wie man sich gegenseitig mit Worten innerlich bewegen kann – viel mehr als mit Bildern. Ich lese, was Du schreibst, und ich spüre, wie mir das sofort in die Schultern geht wie einer Läuferin, die auf das (Ready, Set, …) Gooo wartet.
      Nein, mein Zugang ist ganz sicher nicht die eine Lösung, da stimme ich Dir zu 100 % zu. Ich trau mich selber nicht, das überhaupt als Lösung zu bezeichnen, weil der Konflikt ja bleibt, ganz egal welchen Weg ich gehe. Die Lösung ist einfach das Weitergehen und mit dem Zwiespalt leben, den die digitale Welt mit sich bringt. Deshalb stimme ich Dir absolut zu, dass es zig andere „Lösungen“ oder eben einfach Ansätze gibt.

      Danke, dass Du mich mit den Worten „deinem Stil“ ehrst! Einen zu haben, ist für mich das schönste Kompliment überhaupt.

      Danke, dass Du auch diesen Beitrag wieder gelesen hast! Ich freue mich, einen so klugen Mann unter meinen treuen Leser:innen zu wissen.

      Alles Liebe
      Veronika

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