Gestern feierte der VlikeVeronika-Blog sein 3-jähriges Bestehen und ich habe mir in den letzten Wochen oft Gedanken darüber gemacht, wie ich dieses Jubiläum in Textform zelebrieren möchte, denn der Blog hat Lob verdient.
Einiges davon habe ich schon in meinem Jahresrückblick 2020 geschrieben. Umso mehr habe ich mir überlegt, in welche Learnings und Details ich noch Einblick gewähren möchte, aber auch was meinen LeserInnen hilft. Was sie weiterbringt.
Und was mich weiterbringt.
3 years and counting
Ich habe seit 31. Jänner 2018 sehr zielstrebig darauf hingearbeitet zu beweisen, dass man einen DIY-Blog unter den 100 aufrufstärksten Blogs in Österreich platzieren kann – auch ohne große Social-Media-Community dahinter. Dieses Ziel war mit September 2019 erreicht – gemessen am Ranking von blogheim.at. „Das Business des Bloggens“ ist aber facettenreicher als das einfache Onlinestellen von Content.
Du kannst es nicht zurücknehmen
Das Ding mit der Wahrheit ist heikel. Ist sie gesagt, ist sie da draußen und dabei aber niemals vollständig. Es gibt sie nicht, die vollständige Geschichte, nur den subjektiven Ausschnitt (meinen) und seine in noch mehr subjektive Teile zerspragelte Wahrnehmung (jedeR Lesende hat ihre/seine eigene). Was sich für mich sehr schlüssig und sich lang entwickelt habend anfühlt, liest sich für jemand anderen vielleicht wie ein plötzlicher Sinneswandel.
Gleich vorweg: Den Sinneswandel gibt es von meiner Perspektive aus gesehen nicht. Ich bin gewissen Aspekten des Bloggens bzw. öffentlicher Darstellung gegenüber immer schon kritisch eingestellt gewesen.
Im System das System zu kritisieren ist sinnlos. Niemand hört gerne, dass das, womit er sich täglich zur Zerstreuung beschäftigt, in das er seine Zeit investiert und es in seinen Gedanken durch den Tag trägt, nicht echt und damit nur begrenzt wertschöpfend ist. Meistens kann meine Onlinepersona diese Kritik unausgesprochen lassen – wohingegen man mit mir offline tagefüllende Gespräche zu „Sozialen“ Medien führen kann.
So nah bei mir – so fern von meiner Realität
Erzählt mir nicht, dass euch die stagnierende Follower:innenanzahl, die schlechte Statistik eines Bildes, von dem ihr euch viel Interaktion versprochen habt oder die fehlende Akzeptanz in einer Community nicht über den Zeitraum hinaus beschäftigt, in dem ihr die App geöffnet habt. Bitte erzählt mir nicht, dass es euch nach dem Schließen der App nicht unter die Haut geht, dass jemand anderer etwas in einer Weise erlebt, wie ihr sie euch schon oft gewünscht habt, aber nicht in dieser Weise erfüllt seht. Dabei ist es völlig irrelevant, ob es um das Loft, den Garten, das Auto, den Körper, die Kinder, den Beziehungsstatus, den Job oder irgendetwas anderes geht. Die vermeintliche Nähe – die Bilder sind ja auf MEINEM Handy, in MEINER Bubble, wurden vom Algorithmus für MICH ausgesucht – stellt uns ständig in den direkten Vergleich.
Es sind zwei Paar Schuhe
Zum Gesamtpaket „erfolgreiche:r Blogger:in“ gehört neben einem regelmäßig bespielten, DSGVO-konformen, technisch gewarteten und inhaltlich vermarktbaren Blog nach wie vor die Versammlung einer für Werbezwecke relevanten, interessengleichen Gruppe auf Social Media, die bis zur Erteilung eines Werbeauftrags mit redaktionellem Content warmzuhalten ist.
Im krassen Gegensatz dazu wird von Influencer:innen keine zweite Säule im Business-Aufbau verlangt oder erwartet.
Würde Instagram morgen seinen Betrieb einstellen, würden mit einem Mal tausende Influencer:innen ihren Status verlieren und viele Blogger:innen fielen auf ihren Blog zurück. Trotzdem setzt das Gros der Industrie (sowohl von Content-Creator-Seite als auch seitens der Werbepartner:innen) immer noch auf diese eine Karte.
Ein blinder Fleck kann auch langsam entstehen
Ich bin vor etwas über drei Jahren sehenden Auges (wieder) in Instagram eingestiegen (ich hatte es davor sporadisch privat genutzt, bei der Gründung war die Social-Media-Plattform ja besonders als Filtertool beliebt), habe Entwicklungen durch meine kommunikationswissenschaftlich gefärbte Brille kritisch betrachtet, mich auf das Spiel der scheinbar kompakten Informationsvermittlung – am besten püriert, lauwarm und in zehn Sekunden schluckbar – eingelassen und mich irgendwo auf dem Weg doch an meinen eigenen Zweifeln verschluckt.
Zweifel wirken – zum Beispiel auf (mögliche) Kooperationspartner, aber auch auf Leser:innen – oft nicht gerade so, als wäre man das Pferd, auf das man beim nächsten Rennen setzen möchte. Darum äußert man sie besser nicht. Das erzeugt Druck.
Kurzfristig ist Druck etwas Gutes – er bringt uns weiter, er spornt uns an – und ich liebe das Bild vom Diamanten, der nur deshalb entsteht, weil Kohlenstoff unter enormem Druck und extremer Hitze zu diesem besonderen Schatz gemacht wird.
Langfristiger Druck wird aber zum Leidensdruck: In einem Bereich funktionieren zu müssen, der weder mein Privatleben noch meinen Beruf betrifft, aber große Schnittmengen mit beidem hat und extrem viel Zeit und Energie fordert, führt mich oft – und immer häufiger – an einen Abgrund, an dem ich nicht stehen möchte.
„Na, sie muss das ja nicht! Sie macht das ja freiwillig.“
Das ist sehr leicht gedacht und dahingesagt. Ein in gewisser Weise kommerziell ausgerichteter, erfolgreicher Blog durchläuft mehrere Stadien.
Ich dachte wirklich, dass ich den Beweis erbringen könnte, dass Blog- und Social-Media-Erfolg zwei unterschiedliche Dinge sind, die – einander nicht bedingend – nebeneinander Platz hätten und sich daraus ein Mehr-Wert von Blogger:innen für Leser:innen, Werbepartner:innen und schlussendlich die Community ergeben würde. Aber das Wachstum bzw. die Weiterentwicklung eines Blogs ist ab einem gewissen Level im Moment nur mehr durch einen entsprechenden Social-Media-Auftritt skalierbar.
Heiligt der Zweck die Mittel?
Die Luft im Business wird – nicht zuletzt wegen des Erfolgs von Social-Media-Influencer:innen – immer dünner und ich sehe mich gemeinsam mit Gleichgesinnten vor einer gläsernen Decke, die ich nicht durch Klinkenputzen zur zweckmäßigen Vernetzung durchbrechen will. Ich sehe mich nicht dabei, wie ich mich bei anderen Blogger:innen anbiedere, um in ihrer Gunst zu stehen. Ich sehe mich nicht dabei, am Tag 100 Profilen zu folgen, um sie zum Zurückfolgen zu bewegen und ihnen zwei Tage später wieder zu entfolgen. Ich sehe mich nicht dabei, die Gesichter meiner Kinder ins Netz zu stellen. Ich sehe mich nicht, meinen Mann bitten, dass er laufend Fotos von mir macht. Erst recht sehe ich mich nicht mit einem Selfie-Stick in der Hand. Ich sehe mich nicht, in Leintücher gewickelt der Kraft meines After-Baby-Bodys zu huldigen, wissend dass es Reichweite und Zustimmung bringt. Nichts davon ist das, was ich unter Erfolg, Emanzipation oder Empowerment verstehe.
Wenn das die Spielregeln sind, dann – buhuuu – scheide ich leider aus. Kein Sessel für mich bei der „Reise nach Jerusalem“.
User:innen werden für dumm verkauft
Erst gestern hatte ich wieder zwei große Bloggerinnen auf meinem Instagram-Profil, die mir sechs bzw. sieben Likes und Befallsbekundungen in Kommentaren auf Beiträgen dagelassen haben. Gefolgt sind sie mir nicht. Warum nicht, wenn ihnen doch einiges auf einen Schlag gefällt? Weil es eine Taktik ist. Ich finde diese Praktiken, die User:innen dazu bewegen sollen, sich die großen Profile anzusehen und von 6K, 16K, oder 60K geblendet zum Folgen bewegen sollen, widerlich!
Ich finde es widerlich, dass Profile gewisser Größen nur einander Credit geben, wenn sie sich von der Idee des/der anderen inspirieren haben lassen.
Steve Martins Ausspruch, „Be so good they can’t ignore you“, hat sich für mich als völlig verkehrte Motivation enttarnt, die ich nicht mehr als Öl für meinen Motor verwenden will. Meine Lieben: Ihr könnt gar nicht so gut sein, dass die, auf deren Schulterklopfen ihr hofft, euch nicht ignorieren.
It’s not personal. It’s business.
Ich hatte erst jüngst wieder das Thema, das jemand unterhalb eines Instagram-Beitrags von mir getaggt wurde, sich den zugehörigen Artikel bestätigter Weise durchgelesen hat, die Kernaussage mit Follower:innen geteilt, aber nicht auf die Quelle verwiesen hat. Gleichzeitig wurde ein größerer Account getaggt, bei der sich die Person einen anderen Arbeitstipp über die von dieser dritten Person geposteten Story abgeholt hatte. [Zur Erklärung: Wenn man einen Account in der Story taggt, kann der die Story teilen – ist es ein großer Account, erhöht man damit u. U. die eigene Reichweite. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn es nach oben und unten gleichermaßen funktionieren würde.] Instagram ist ein ständiges Strecken nach oben, ein Verteidigen mit Ellenbogentechnik und das Wahren der Community-Illusion.
So funktioniert dieses Netzwerk.
Aber ich nicht.
Obwohl ich es sehe und verstehe, tut es mir weh.
Ich ertrage die Selbstgerechtigkeit der Großen bei ihrer Wissensakquise nicht mehr, aber noch viel weniger die Gleichgültigkeit mit der die breite Masse sie hinnimmt. Auf beiden Seiten nicht alle, nicht jeder, aber ein großer Teil.
Ich habe mich in den letzten Wochen immer häufiger an dem Punkt gefunden, an dem ich die App geschlossen und in mich hineingeseufzt habe: „Ich will nicht mehr.“
Ich will nicht, dass etwas, das nicht echt ist, mir echt weh tut.
Der Kassensturz mit Instagram
Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder solche Phasen – Karin von doiteria, Evi von mrsgreenhouse.de, Deborah von halloludwigsburg, Elli von wichteltueren.de, Melanie von monstamoons und Isabel von belmachtblau, mit denen ich mich dazu ausgetauscht habe und vielleicht noch einige andere, die das in Stories oder Beiträgen immer wieder mal aufblitzen gesehen haben, wissen das. Und besonders auch alle, mit denen ich mich abseits der App im echten Leben darüber unterhalten habe, allen voran mein Mann, der mich immer wieder vom Boden einsammeln muss, wenn ich wegen eines virtuellen Schlags ins Gesicht wieder in tausend Stücke zersprungen bin.
Dieses Mal hält sich die Phase meines inneren Exodus hartnäckig. Ich sehe den return of investment von Instagram momentan nicht.
Ein Schlüsselerlebnis war die VG-Wort-Abrechnung vor zwei Wochen. Die VG Wort ist eine Verwertungsgesellschaft für AutorInnen und TexterInnen. Kurz erklärt: Für jeden Blogbeitrag bzw. jede Seite meiner Website, die 1 500-mal von Deutschland aus in einem Kalenderjahr abgerufen wird, erhalte ich um die 35 Euro. 33 Seiten, die auch die übrigen Vorgaben der VG Wort erfüllen, haben das 2020 geschafft – durch Google-Search-Results und Verweise anderer Websites. Wisst ihr, welche nicht dabei war? Die Landing Page von Instagram.
Fast jeder Beitrag einer Blogger:in zielt darauf ab, Menschen auf den Blog zu bringen, um dort in eine Tiefe gehen zu können, die auf Instagram nicht möglich ist.
Dass diese eine Seite, die ausschließlich für den einfachen Weg von Instagram auf den Blog besteht, nur 4 200 Mal in einem Jahr geklickt wird und nicht die Mindestaufrufe von 1 500 Aufrufen aus Deutschland erreicht, untermauert die Abgeschlossenheit des Instagram-Universums. Es wird dort konsumiert. Die schöne Berieselung in Bild und kurzer Caption ist genug. Ich verstehe das. Mir geht es als Userin genauso.
Das ist okay.
Vor allem weil es nichts mit dem Wert des Contents selbst zu tun hat – 1,09 Millionen Blog-Aufrufe bestätigen das für mein Empfinden ausreichend. Gäbe es sie nicht, wäre ich wahrscheinlich zur Kapitulation bereit.
Aber lasst es Euch bzw. lass es Dir nochmal auf der Zunge zergehen: Von 1 089 960 Millionen Website-Klicks im Jahr 2020 kamen nur ~ 4 200 über den Instagram-Quicklink.
Es gibt Phasen
Während ich mich am Blog und besonders im Leben als jemanden empfinde, der viel zu geben hat, empfinde ich mich auf Instagram als Bettlerin, die jeden Post aufs Neue Menschen anfleht, ihr ihren Content abzunehmen. Darin sehe ich eine unheimliche Abwertung, der ich mich nicht mehr hingeben will. Das tut mir nicht gut. Das tut uns allen nicht gut, aber es gibt Phasen, in denen wir besser damit zurechtkommen.
Wahrscheinlich brauche ich einfach eine Pause. Eine, die ich mir der Optik gegenüber KooperationspartnerInnen und wegen des immer größer werdenden Lochs zwischen Branchengrößen und meinem Account nicht geleistet habe.
Wenn die gerade laufende DIY-Challenge meiner österreichischen DIY-Kolleginnen Sonia und Karin, an der ich aus der tiefen Überzeugung teilnehme, dass wir einander unterstützen müssen, in ein paar Tagen vorbei ist, werde ich für eine Weile keinen neuen Instagram-Content mehr erstellen. Der Blog läuft wie gehabt weiter – wahrscheinlich noch leidenschaftlicher als bisher, weil mein Fokus sich nicht zweiteilen muss.
Weder lösche ich meinen Account noch lege ich mich auf die Dauer der Pause fest. Vielleicht sind es zwei Wochen, vielleicht zwei Monate. Vielleicht bin ich online und interagiere, aber ich werde mich nicht dazu zwingen, mit Content von Account zu Account zu gehen, nur um keine zeitliche Lücke in meinem Feed zu haben.
Warum mit einem Tusch?
Ich hätte hier auch einfach gar nichts schreiben und auf Instagram einfach nicht posten können, wahrscheinlich wäre es in der Fülle des Angebots nicht aufgefallen. Aber ich brauche diesmal diese Zäsur für mich. Den Schlag auf den Tisch. Damit ich dann, wenn ich zurückkomme, es in dem vollen Bewusstsein tue, dass ich mich auf ein Spiel eingelassen habe.
Und falls ich nicht zurückkomme, dann möchte ich zumindest den Menschen, die genauso zweifeln und darum kämpfen, dass ihre guten Inhalte geteilt werden, einen Blog-Beitrag gegeben haben, den sie mal als kleine Erinnerung teilen können, dass nicht die Zahl der Follower:innen ausschlaggebend sein sollte, ob man Inhalte teilt, sondern die einfache Tatsache, dass man es selbst gut gefunden hat. Deine Content Creator:innen brauchen Dich. An dieser Stelle auch ein ganz großes Danke an Melanie von dieliebezumdetail, die ihre Reichweite und ihre Swipe-up-Funktion mehrmals für mich verwendet hat und die Ausnahme zur Regel verkörpert.
Wer mich zwischenzeitlich sucht, weiß, wo ich zu finden bin – my blog is my castle.

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