Die Sache mit den Kirschen: Die Kirschensaison endet für mich mit der ersten wurmigen Kirsche. Manchmal dauert die Saison nur eine Kirsche lang.
Throwback ins Jahr 2015
Ich halte mich eigentlich für recht robust, allwettertauglich und wenig zickig. Meine Schuhpaare und Handtaschen lassen sich abzählen – für jedes Lebensjahr in etwa eines, Flip-Flops und Gummistiefel inklusive, bzw. eine, wahrscheinlich ist das sogar übertrieben –, und ungeschminkt auf die Straße zu gehen, ist bei mir keine Mutprobe, sondern meine tägliche Beichte für vergangene exzessive Ausschweifungen jedweder Art, die ich vielleicht gern erlebt hätte, die sich in Wahrheit aber nur meine Anfang-Dreißiger-Haut ausgedacht hat.
Bei wurmigen Kirschen werde ich allerdings … schwierig.
Eigentlich schon bevor ich weiß, ob sie wurmig sind. Sie werden penibelst gewaschen und einem haptischen Test unterzogen. Im Pinzettengriff ertasten Daumen und Zeigefinger die Haut. Gibt sie nach, lege ich die Kirsche in eine Schüssel und gebe einen Deckel drauf: Verdächtige Kirschen werden isoliert und müssen von jemand anderem untersucht werden. Allein der Gedanke, dass ich gerade einen sich windenden, glitschigen Wurm – umhüllt von seinem Kirschennest – in der Hand hatte, verursacht mir Gänsehaut. Hat die Kirsche den Spürtest bestanden, wird sie mit einem Messer aufgeschnitten und die erste Hälfte gecheckt. Ist sie okay, wird der Kern mit möglichst wenig Kirschen-Finger-Kontakt und unter gespanntem Luftanhalten ins Waschbecken befördert. Ist sie wurmig, fliegt die zweite Hälfte, von Anwiderungsgeräuschen begleitet, hinterher und es beutelt mich, als hätte ich gerade eine Anaconda und nicht die Made einer Kirschfruchtfliege entdeckt.
Was soll ich sagen? Vor in irgendeiner Weise interaktionsfähigem Essen graust mir.
Ist die Kirsche in Ordnung, atme ich erleichtert auf. Aber dem Geschmack von Angst, ist der süße Saft einer einzelnen, kleinen Kirsche nicht gewachsen. Genuss schmeckt anders.
Die letzten Jahre war meine Kirschensaison immer eher kurz. Wer erinnert sich an das Kindergeburtstagsspiel mit der Schokolade, dem Besteck und den Wollsachen? Die Kinder sitzen im Kreis und würfeln. Wer einen Sechser würfelt, muss sich Haube, Handschuhe und Schal anziehen, das Besteck in die gut verpackten Hände nehmen und versuchen, die Schokolade, die noch in Stanniol und Papier gewickelt ist, in mundgerechte Stücke zu zerkleinern und den einen oder anderen Happen runterzuwürgen. Sobald der Nächste einen Sechser würfelt, werden einem die Sachen heruntergerissen und der Andere versucht sein Glück. (Ein schreckliches Spiel. Ich sage nur: statisch aufgeladene Haare, Billigschokolade und Futterneid.) So lief das mit den Kirschen und mir ein paar Jahre. Die Würmer waren die Sechser der anderen und ich kam eigentlich nie zum Essen.
Heuer habe ich Glück.
Zwei halbe Kilo Kirschen habe ich schon entkernt. Hat mich etwa zwei halbe Stunden gekostet. Dabei habe ich entdeckt, wie gut Kirschen eigentlich sind und mich erinnert, warum ich sie als Kind, nicht wissend, dass es in irgendeiner Weise interaktionsfähiges Essen gibt, so mochte.
Für den nächsten Sommer werde ich mir ein Post-It schreiben: „Schmeiß die wurmige weg und nimm dir halt eine andere. Es war keine Anaconda. Deine Vernunftika.“ Aber für heuer mache ich mal von selbst Schluss. Man muss sein Glück ja auch nicht herausfordern.
Titelbild: pixabay | Daria Głodowska
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