Niemandstage

Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr – a pain in the neck. Tipps gegen den Neujahres-Blues.
Niemandstage: Gedanken zum Jahreswechsel von Veronika Fischer, Bloggerin und Journalisting

[erstmals veröffentlicht im Dezember 2017]

Müde und schwammig, einzeln und in ihrer Verlorenheit trotzdem zusammengehörig, ohne Kontext und doch als eben genau die, die sie sind – die Niemandstage – hängen die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr über uns. Der Höhepunkt ist überschritten, der Tag, auf den die letzten acht Wochen ausgerichtet war, kam und ging. Relativ unspektakulär, gemessen daran, wie viel Energie in seine Vorbereitung floss.

Eigentlich sollte sich jetzt alles entspannen, all was calm, all was bright, der große Stress um das Füllen der Keksdosen, das Finden des besten Geschenks für jeden einzelnen auf der Liste, das Zittern, ob das, was man Anfang November gekauft hat, im Ranking der Kinder immer noch ganz oben steht, die letzten beruflichen Deadlines, die erreicht werden mussten … das liegt alles hinter uns. Aber damit ist auch die Aufgabe erledigt, in die wir uns mehr oder weniger hingebungsvoll hineingesteigert haben. Alles, was sich zwischen Oktober und dem 24. Dezember abspielt, ist trichterförmig auf diesen Tag ausgerichtet. All diese To-dos, die auf unseren Listen stehen, müssen durch diese kleine Schleuse. Schneller, schneller, schneller. Und dann ist der vorbei. Ende.

Wahrscheinlich geht es Menschen, die sich nicht so in Weihnachten hineintigern besser. Vor allen anderen tut sich ein Loch auf: Was jetzt?

Und nach dem Ende des Feierns kommt das kalendarische Ende. Das Alte, das so Vertraute, ist vorbei, das Neue liegt erwartungsvoll da. Sich auf das neue Jahr einzulassen ist, wie eine neue Freundschaft zu knüpfen. Man kennt sich noch nicht. Das geht nicht von null auf hundert. Außer es ist Liebe auf den ersten Blick. Es gibt Jahre, die man ung’schaut liebt, weil man weiß, dass sie Großes bringen, aber das sind wenige. Und es gibt Jahre, die wie ein leeres Blatt vor einem liegen – endlose, unbeschriebene Weite. Der Druck baut sich auf, ist anfangs nur ein leichtes Ziehen im Herzen und wandert in den Niemandstagen pulsierend in den Hals, der von dem regelmäßig pochenden Schlag zugeschnürt wird. Am 1.1. ist es da. Man wird sich arrangieren. Man wird es mögen. Und es wird gut werden, aber noch ist es schwer. Noch ist man derselbe wie gestern. Der Mensch, der zweifelt – an der guten Zukunft, der eigenen Kraft, dem eigenen Potenzial. Sich.

Dabei ist man nicht mehr der, der man vor 365 Tagen war. Man ist anders. Weiter.

Und man wird in 365 Tagen nicht mehr der sein, der man heute ist. Man wird anders sein. Weiter. Auch wenn man noch nicht weiß, wohin man möchte und erst recht nicht, wie man dort hin kommt.

Für meinen Teil habe ich heute festgestellt, das meine Zuversicht vor allem im Vergangenen begründet ist. Im Erfahrungswert, dass das, was kommt, gut wird, auch wenn das Jahr, das kommt, kein vorprogrammiertes „Großes“ hat. Auch ohne Cliffhanger werden die folgenden zwölf Monate gut. Voll mit Erinnerungen an schönste Familienmomente, meine liebsten Sätzen der Kinder, Freundschaftshighlights, kulinarische Highlights, berufliche Homeruns, persönliche Ziele, die ich erreicht habe, Urlaubshighlights, bedeutungsvolle Begegnungen, Geschenke, die mir Freude gemacht haben, Geschenke, mit denen ich anderen eine Freude gemacht habe, beeindruckenden Ausblicken in der Natur … und auch ganz viel Alltag. Im Nachdenken über das, was war, obwohl ich es im Dezember letzten Jahres noch nicht erahnen konnte, schließe ich Frieden mit der Unsicherheit vor mir. Derselben Unsicherheit, die ich 2017 gegenüber hatte und der, die ich über 2019 haben werde – heute in 365 Tagen.

Ich wünsche Euch allen ein gutes neues Jahr und eine enge Freundschaft mit diesen 365 Tagen.

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